Haarausfall ganzheitlich verstehen: Schilddrüse, Mikronährstoffe, Stress – und warum „mehr Haare im Kamm“ manchmal ein gutes Zeichen ist
- Daniela Ptak I Inhaberin

- 15. Okt.
- 3 Min. Lesezeit
Viele Betroffene suchen „die eine Ursache“.
In der Praxis ist Haarausfall fast immer multifaktoriell: Schilddrüse, Nährstoffstatus, Darm-/Mikrobiom, Stressachse (HPA-Achse), Hormone und Kopfhaut spielen zusammen. Genau da setzen wir an.
Die häufigsten Treiber – kurz & präzise
Eisenmangel (Ferritin): Für anabole Gewebe wie Haarfollikel ist Ferritin besonders kritisch. Werte <50 µg/l gehen sehr häufig mit Telogeneffluvium (diffusem Haarausfall) einher. Optimal liegt – je nach Gesamtsituation – eher darüber.
B-Vitamine (v. a. Biotin, B6, B12) & Zink/Selen: essenziell für Keratinbildung, Matrixzellteilung und antioxidativen Schutz.
Schilddrüse (Hypothyreose & Hashimoto): T3/T4 steuern Haarzyklusgene; Unterfunktion „bremst“ Matrixzellen → dünneres, langsamer wachsendes Haar, vermehrter Ausfall.
Hormonelle Shifts: Postpartum, Absetzen/Start hormoneller Verhütung, Perimenopause → temporäre Dysbalancen → Telogeneffluvium.
Stress & Schlaf: Cortisolspitzen + schlechter Schlaf verschieben Follikel in die Ruhephase (Telogen); typische Latenz 6–12 Wo.
Mechanik & Kopfhaut: sehr straffe Frisuren (Traktionsalopezie), seborrhoische Dermatitis/Schuppen, Psoriasis, Pilze – allesamt Stressoren für Follikel.
Autoimmun: Alopecia areata (kreisrund) – immunvermittelt, braucht ein anderes Vorgehen als Telogeneffluvium.
Das „gute“ Paradox: Warum nach Therapiebeginn mehr Haare ausfallen können
Viele berichten: „Ich habe L-Thyroxin/NDT begonnen, Omega-3 und Mineralstoffe ergänzt – und plötzlich verliere ich mehr Haare. Läuft etwas falsch?“In ganz vielen Fällen: nein. Das ist ein bekanntes Muster bei metabolischer Re-Synchronisierung.
Was biologisch passiert:
Telogen → Anagen-Reset: Werden Zellen endlich wieder versorgt (T3/T4 korrekt dosiert, Eisen & Co. aufgefüllt, Entzündung sinkt), „entscheidet“ der Follikel vom Ruhestadium (Telogen) zurück ins Wachstumsstadium (Anagen) zu wechseln.
Shed-Welle: Um Platz für die neue, dickere Anagen-Faser zu machen, stößt der Follikel die alte Telogen-Faser ab – sichtbar als kurzfristig verstärkter Haarausfall („Shedding“).
Zeitachse: Typisch sind 2–8 Wochen nach Start/Anpassung von Schilddrüsenhormonen, Eisen, Omega-3/Antiinflammation, Darmaufbau. Das Shedding klingt i. d. R. innerhalb weniger Wochen ab, Neuwuchs sieht man nach 8–12 Wochen (Haare wachsen ~1 cm/Monat), sichtbare Verdichtung eher nach 4–6 Monaten.
Wichtig: Paradoxes Shedding ist zeitlich begrenzt, ohne andere Warnsignale (z. B. massiver Leistungsabfall, neue Zyklusstörungen, stark juckende/entzündete Kopfhaut). Hält ein starkes Shedding >8–12 Wochen an oder kommen Warnzeichen dazu → Ursachencheck (siehe unten).
Schilddrüse x Haarfollikel – zwei Punkte, die oft fehlen
T3 ist der „aktive“ Treiber für Matrixzell-Proliferation. Zu niedriges fT3 (bei normalem TSH) kann Haarfollikel trotz „unauffälliger“ Standardwerte bremsen.
Magensäure & Aufnahme: Niedrige Magensäure (häufig bei Hypothyreose/Hashimoto) mindert die Resorption von Eisen, B12, Zink, Selen – genau den Nährstoffen, die Haare lieben. Wer L-Thyroxin nimmt, sollte Einnahmeabstände zu Eisen/Calcium einhalten und auf ausreichende Säure-/Eiweißzufuhr achten.
Mikronährstoffe – sinnvoll, aber zielgerichtet
Eisen/Ferritin: Zielbereich individuell, häufig >50–70 µg/l (bei Ferritin <50 µg/l hohe Wahrscheinlichkeit für Telogeneffluvium). Vor Supplement: Status messen (Ferritin, Hämoglobin, Transferrinsättigung, CRP).
B-Komplex (B6, B12, Folat) & Biotin: bei Mangel sinnvoll. (Hinweis: Hochdosis-Biotin kann Laborwerte verfälschen – Einnahme vor Blutabnahmen pausieren.)
Zink & Selen: Cofaktoren für Schilddrüsen-Enzyme (Dejodasen) und antioxidativen Schutz am Follikel.
Vitamin D: Mangel ist bei diffusen Ausfällen häufig; suffiziente Spiegel korrelieren mit besserer Follikelaktivität.
Omega-3 (EPA/DHA): senkt low-grade-Inflammation (TNF-α, IL-6), stabilisiert Membranen, verbessert häufig die Kopfhautsituation; indirekt gut für Anagen-Erhalt.
Darm & Mikrobiom – unterschätzte Stellschraube
Ein entzündetes, „leckes“ Darmsystem raubt dir still Nährstoffe und triggert Immunstress. Für Haare heißt das: weniger Bausteine, mehr pro-entzündliche Zytokine.Praktisch heißt das: Proteinreich, ballaststoffreich, farbig. Fermentiertes (sofern verträglich), präbiotische Ballaststoffe (Hafer, Flohsamen in Toleranz), ausreichend Eiweiß (1.0–1.2 g/kg, in Stressphasen 1.5 g/kg Körpergewicht).
Was du jetzt konkret tun kannst (Prioritäten-Plan)
1) Status erheben (damit du nicht im Dunkeln tappst)
Schilddrüse: TSH, fT4, fT3; bei Hashimoto zusätzlich TPO-/TG-AK.
Eisenpanel: Ferritin, Hb, Transferrinsättigung, CRP (um Ferritin richtig zu interpretieren).
Weitere Nährstoffe: B12 (±Holo-TC), Folat, Zink, Selen, Vitamin D.
Optional: Zink-Protoporphyrin (funktioneller Eisenmangel), Zöliakie-Screening bei hartnäckigem Eisenmangel.
2) Therapie clever starten/anpassen – und „Shedding“ richtig deuten
Schilddrüsenhormone sauber titrieren (Ziel: klinisches Wohlbefinden + stimmige fT3/fT4 im Referenzkontext).
Eisen auffüllen (oral/iv je nach Status & Verträglichkeit); Abstände zu L-Thyroxin beachten.
Omega-3 (EPA/DHA) + antiinflammatorische Ernährung → mildert die „Entzündungsbremse“ am Follikel.
Erwarte in den ersten Wochen ggf. mehr Haare im Kamm – das kann der Reset in neues Anagen sein. Markiere dir den Starttermin und beobachte 6–8 Wochen.
3) Kopfhaut & Alltag optimieren (low-effort, high-impact)
Mechanischer Stress runter: lockere Frisuren, schonendes Bürsten, kein permanentes „Tight Pony“.
Schlaf & Stress: 7–8 h, Tageslicht am Morgen, kurze Entlastungsinseln (Atem, Spaziergang nach dem Essen, 2×/Woche Krafttraining → Insulinsensitivität ↑).
Entzündungen senken: Zucker/hochverarbeitete Lebensmittel reduzieren oder sogar ganz vermeiden, Proteine/Polyphenole/Omega-3 deutlich erhöhen.
Kopfhautpflege: mildes Shampoo, ggf. ketokonazolhaltig bei seborrhoischer Kopfhaut; keine aggressiven Peelings/Färbeorgien in der Akutphase.
Wann du ärztlich abklären solltest
Sehr rascher oder fleckiger Ausfall (Verdacht auf Alopecia areata).
Shedding >8–12 Wochen ohne sichtbaren Babyhaar-Neuwuchs.
Begleitzeichen wie starke Müdigkeit, Dyspnoe, Herzstolpern, auffällige Blutungen (denken an Anämie/andere Ursachen).
Kurzfazit
Haarausfall ist selten „nur“ ein Haarproblem – es ist ein Systemsignal.
Therapiestart-Shedding ist häufig ein guter Zwischenstopp auf dem Weg zu kräftigerem Haar: Der Follikel wechselt zurück in Wachstum und „räumt“ dafür auf.
Mit Schilddrüse im Lot, Nährstoffen aufgefüllt, Entzündung runter und Alltags-Feintuning sehen viele Betroffene innerhalb von 8–12 Wochen die ersten Babyhaare – die eigentliche Verdichtung braucht Geduld (Monate), aber sie kommt.



![[Originalgröße] AWAKENYOUSELFNOW.png](https://static.wixstatic.com/media/5126fd_c64ee50792a549178977775c8bf07a05~mv2.png/v1/crop/x_0,y_153,w_1500,h_1195/fill/w_118,h_94,al_c,q_85,usm_0.66_1.00_0.01,enc_avif,quality_auto/%5BOriginalgr%C3%B6%C3%9Fe%5D%20AWAKENYOUSELFNOW.png)
Kommentare